Deviare – Vier Agenten – Part of A Movie

Während vier Monaten umkreiste im Jahr 2011 eine Figur das Teatro Fundamenta Nuove, Venedig. Sie befand sich in Auseinandersetzungen mit Regieanweisungen auf Deutsch, Italienisch und Englisch, die über Lautsprecher in den Gassen und am Quai vor der Friedhofsinsel San Michele erklangen. Mal beugte sich diese Figur verhüllt einer Story, die ihr bettelnde Stereotype vorschrieb. Mal lief sie aus der Bahn dieser aufgezwungen Rolle, die ihr ein Paradies auf der Toteninsel verhiessen, sobald sie als Undercover-Agent_in dort Beweismaterial von Roma-feindlicher Polizeiarbeit vernichten würde. Die Schauspieler_in hingegen wollte die Daten-CD, auf der der europaweit vernetzte Staatsrassismus gegen Fahrende dokumentiert war, der Presse übergeben. Das erfordert jedoch eine Konfrontation nicht nur mit den Autoritäten der vier Regie-Stimmen, sondern mit der eigenen inneren Stimme: eine Konfrontation mit den selbstproduzierten Stereotypen … immer wieder von neuem.
«Deviare – Vier Agenten – Part of a Movie» fand als Live-Performance um das Teatro Fundamenta Nuove statt – vom 1. Mai bis 3. Oktober 2011, täglich in vier halbstündigen Wiederholungsschlaufen. Die Aufführung war über Lautsprecher für die Betrachter_innen und Passant_innen in den Gassen und am Quai rund um das Theater bis ins Entree und die Toiletten hinein zu hören und mitzuverfolgen. Der Videobildschirm im Theater-Foyer nahm die Konvention von vorankündigenden Aufführungsausschnitten an, bezog aber auch zufälligen Passant_innen in das Geschehen ein: Denn die drei regieführenden Figuren blickten – in Parodie einer Skype-Schaltung – nicht nur darauf, wie sich das Schauspiel unter ihren Obacht entwickelte, sondern ebenso direkt … in die Augen der Zuschauenden.

Als installative Dramatisierung setzte «Deviare – Vier Agenten – Part of a Movie» die Schwelle zwischen der Ausstellung und dem städtischen bzw. touristischen Alltag Venedigs so niedrig wie möglich: Wer dem Stück in einer ersten Gasse als Hörspiel begegnete, sah sich möglicherweise bald mit der Figur im Mantel konfrontiert, die eine Stadtkarte zu lesen versuchte oder an der Tankstelle Benzin abzapfte … bis sich aus der Interaktion von Videofilm und Performance ein medial eigener Dialog entspann. Die Besetzung zwischen den vier Figuren rotierte über den Verlauf der vier Monate, so dass jede Schauspieler_in einmal zur Agent_in vor Ort und zu einer der regieanweisenden Stimme wurde.

«Deviare – Vier Agenten – Part of a Movie» war ein Beitrag zu von Andrea Thal kruatierten, offiziellen Schweizer Biennale-Venedig Programm «Chewing the Scenery»

Sprache
Deutsch, Englisch und Italienisch

Besetzung
Text, Regie, Installation: Tim Zulauf | Schauspiel: Meret Hottinger, Christoph Rath, Ursula Reiter und Samuel Streiff | Übersetzungen: SUBTEXT – Katharina Bürgi (Italienisch), Linda Cassens Stoian (Englisch) | Kamera, Steadicam: Sebastian Geret | Fokus: Philipp Künzli, Björn Detre | Schnitt: Guido Henseler | Ton: Ramon Orza | Kostüm: Zuzana Ponicanova | Make-up: Connie Sacchi, Tanja Maria Koller | Studio: FTK Zürich, Letzi Studio

Publikation

Andrea Thal (Hg): «Chewing the Scenery», 3rd Edition. edition fink, Zürich 2011. www.editionfink.ch

Unterstützt durch: BAK–Bundesamt für Kultur–Schweizerische Eidgenossenschaft


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